FREIHEIT FÜR´S KAPITAL
- BUSINESS
- 15. Mai 2015
- 4 Min. Lesezeit
von Matt Wreford, CEO von Demica, www.demica.com

© anieto2k– imfree.com/flickr.com
Seit der Zugang zu Krediten infolge der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 stark eingeschränkt war, steht die
Optimierung von Betriebskapital bei der Unternehmensfinanzierung weit oben auf der Agenda. Heute sorgen das schwache Wachstum in der Eurozone, wirtschaftlicher Abschwung in wichtigen
Schwellenmärkten und stringente Reformen zur Regulierung des Finanzsektors dafür, dass Treasurer
und Finanzmanager weiterhin auf preisgünstige Geldquellen angewiesen sind. Working-Capital-Management bleibt daher eine wichtige Priorität.
Gemäß einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC aus dem Jahr 2014 sind ganze 1.4 Billionen
Euro an Liquidität in den Bilanzen der Unternehmen gebunden. Firmen, die ihr Working Capital nicht
optimieren, lassen eine wichtige Gelegenheit ungenutzt, um Kapital für Investitionen freizusetzen sowie
Kapitalrendite und Shareholder Value zu verbessern. Eine verbesserte Working-Capital-Performance
resultiert hingegen mit großer Wahrscheinlichkeit in einer besseren Bewertung durch die Kapitalmärkte
im Vergleich zu den Mitstreitern. Firmen müssen dazu die Verwaltung von Forderungen, Verbindlichkeiten
und Beständen überprüfen.
Prinzipiell gilt es, Forderungen zu tilgen, Zahlungsziele zu verlängern und Inventar zu reduzieren. Optimierungsmaßnahmen dieser Art dürfen jedoch nicht in Isolation vom geschäftlichen Umfeld betrachtet
werden, denn sie können schnell negative Auswirkungen auf die Betriebskapitalanforderungen anderer Firmen in der Lieferkette haben. Das wiederum schädigt die Geschäftsbeziehungen und möglicherweise sogar die finanzielle Gesundheit von Zulieferern und Kunden, und bedroht so die Robustheit der gesamten Lieferkette. Da der Erfolg eines Unternehmens stets vom Wohlergehen seiner Zulieferer und Kunden abhängt, ist ein ganzheitlicher Ansatz der Betriebskapitaloptimierung notwendig, damit die Maßnahmen dem gesamten Netzwerk der Lieferkette zugute kommen.
Betriebskapitallösungen: Lieferkettenfinanzierung, Forderungsverbriefung und Factoring
Eine kürzlich von Demica und Treasury Management International durchgeführte Umfrage unter 78
Corporate Treasurern und Senior Finanzmanagern (einschließlich CFOs und Finanzdirektoren) hat die
Nutzung verschiedener Finanzierungstechniken zur Freisetzung von Liquidität untersucht. Die Ergebnisse
zeigen, dass Lieferkettenfinanzierung (Supply Chain Finance, SCF) ein immer beliebteres Instrument
der Working-Capital-Optimierung wird. Von den Teilnehmern der Studie beobachteten ganze 83
Prozent ein wachsendes Interesse an dieser Kreditfazilität. Mit Hilfe von SCF können Käufer ihre Zahlungsziele verlängern ohne dabei dem Zulieferer zu schaden, denn die Rechnung wird frühzeitig durch
den Finanzierungspartner des Käuferunternehmens beglichen, dessen starkes Kreditrating attraktive Finanzierungsraten garantiert. So profitieren alle beteiligten Parteien von der Lösung.
Auch durch den Verkauf von Forderungen im Rahmen von Forderungsverbriefungen (Trade Receivables
Securitisation, TRS) können Unternehmen Betriebskapital freisetzen. Damit der Aufwand gerechtfertigt
ist, müssen Firmen jedoch über ein großes Volumen qualitativ hochwertiger Forderungen verfügen. Zwar hat das Image von Verbriefungsprogrammen während der Finanzkrise stark gelitten, denn deren Missbrauch hat beinahe zum Kollaps der globalen Finanzmärkte geführt. Forderungsverbriefungen
sind daraus jedoch relativ unbeschadet hervorgegangen, da sie durch solide und messbare
Vermögenswerte gedeckt sind. So bestätigten in der Umfrage weitere 60 Prozent der Treasurer ein
zunehmendes Interesse am Einsatz von TRS. Unternehmen können dabei ihre Liquidität verbessern
und profitieren gleichzeitig von niedrigeren Finanzierungskosten und der Diversifizierung ihrer Finanzierungsquellen. Insbesondere Firmen im Sub- Investment-Grade-Bereich oder ohne Kreditrating,
für die höhere Finanzierungskosten anfallen, können durch den Einsatz von TRS-Programmen Kapitalmärkte erschließen, zu denen sie andernfalls keinen Zugang hätten. Auf der anderen Seite schätzen
Kapitalgeber Forderungen als attraktive Anlagekategorie, da sie sich selbst liquidieren, in der Regel
kurzfristig angelegt sind und sich für revolvierende Finanzierungen eignen. Sie sind außerdem weniger
volatil als Verbraucherforderungen, da der Schutz der Lieferkette Priorität für Unternehmen hat und
sie deshalb ein großes Interesse daran haben, ihre Zulieferer zu bezahlen.
Außerdem wird Factoring, lange Zeit als das Finanzierungsinstrument für kleine und mittelständische
Betriebe gehandelt, zunehmend auch von Großunternehmen genutzt. Über die Hälfte der befragten Treasurer verbessern die Unternehmensliquidität durch den Einsatz von Factoring-Lösungen. Laut der jüngsten Studie von Factor Chain International (FCI) umfasste das weltweite Factoring-Volumen im Jahr 2013 ganze 2,230 Billionen Euro, was einem Zuwachs um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.
Inventurmanagement – eine wichtige Komponente der Working-Capital-Optimierung
Eine effiziente Bestandsführung ist wichtiger Bestandteil einer umfassenden Strategie zur Optimierung
von Betriebskapital. Wegen der Kreditknappheit im Anschluss an die Finanzkrise ist Bestandsoptimierung
bei der Freisetzung von gebundenem Kapital zunehmend in den Fokus gerückt. Die Reduzierung
von Lagerbeständen ist jedoch ein Balanceakt. Unternehmen müssen über ausreichenden Warenbestand
verfügen, um die kundenseitige Nachfrage befriedigen zu können. Dabei müssen sie auch mögliche
Nachfragespitzen einkalkulieren. Gleichzeitig sollten sie überflüssigen Bestand vermeiden, denn der frisst
Bargeld und bringt je nach Produktpalette das Risiko der Veralterung mit sich. Deshalb ist es wichtig, dass
die Bereiche Geschäftsbetrieb und Finanzen beim Cash-Flow-Management eng zusammenarbeiten.
Langfristiges Engagement für erfolgreiches Working-Capital-Management
Strategien zur Optimierung von Betriebskapital müssen Kontinuität aufweisen, damit langfristige
Erfolge erzielt werden können. Die Maßnahmen müssen in die Geschäftsprozesse eingebettet und
fortlaufend überprüft werden. Operationelle und strukturelle Anpassungen werden immer wieder nötig
sein, um gleichbleibend positive Ergebnisse oder eventuell sogar bessere Resultate zu erzielen.
Ein solider Ansatz für das Working-Capital-Management hilft Firmen dabei, Verfahren zu optimieren
und Liquidität aus der Bilanz freizusetzen. Das ermöglicht Investitionen für langfristiges Wachstum
und Wohlstand. Mit der Unterstützung von Technologien können Finanzabteilungen Prozesse modifizieren
und Monitoring und operationelle Effizienz verbessern. Dadurch reduzieren sie laufende Kosten
und erhöhen den Cash Flow. Eine Patentlösung gibt es dabei jedoch nicht: jedes Unternehmen muss einen
zu den eigenen Umständen passenden Ansatz verfolgen, um die individuellen Ziele für das Betriebskapitalmanagement zu erreichen. ≡

„Betriebskapitallösungen wie Lieferkettenfinanzierung und Forderungsverbriefung ermöglichen
Unternehmen eine Automatisierung der Finanzprozesse. Das bedeutet neben
erhöhter Transparenz eine gesteigerte Betriebseffizienz, geringere Kosten und vor allem die Gewinnung von Barmitteln für Investitionen, die dem Unternehmen langfristig
Wachstum und Wohlstand bescheren.“
Matt Wreford
Kommentare