von Tom Schwede
Der Streckensprecher und Moderator Tom Schwede wuchs in einem Umfeld auf, das stark von Autos geprägt war. Eine optimale Voraussetzung, um heute über ein besonderes Fahrzeug zu schreiben. Zum Beispiel über die erste Testfahrt mit dem neuen Polo GTI 2,0 l TSI1 auf Mallorca, die Tom wie folgt zusammenfasst. Weitere Texte und Bilder veröffentlicht er seit 2007 auf seiner Internetseite, 1300ccm.de, dem „Auto-Blog für Auto-Natives".
Sportliche Kompakte von Volkswagen nehmen in meiner automobilen Vita viel Raum ein. Denn schon als Grundschüler bestaunte ich den VW Golf GTI eines Nachbarn. Auch nach fast 40 Jahren erinnere ich mich noch gut an die Karos auf den Sitzen und natürlich den coolen Schaltknauf. Als junger Autofahrer war der Polo G40 mein Traumauto. Doch „dank" meiner Körperlänge von mehr als zwei Metern war der Polo vor 30 Jahren keine Alternative. Ich konnte damals in dem Kleinwagen nicht sitzen. Deshalb kaufte ich mir einen Golf GTI2 der zweiten Generation.
Das ist fast 30 Jahre her. Inzwischen haben praktisch alle Autos deutlich an Größe zugelegt. Der aktuelle Polo ist etwas länger als vier Meter.
Das entspricht in etwa der Länge meines damaligen Golf. Trotzdem finde ich im neuen Polo eine ausgesprochen gute Sitzposition. Dazu liegen die Instrumente gut im Blick und alle Bedienelemente sind einfach erreichbar.
Das gelingt mir auch heute längst nicht in allen Kleinwagen so komfortabel. Dazu kommt, dass der aktuelle Kleinwagen den Kompakten der frühen 1980er-Jahre in der Breite um gut zehn Zentimeter überragt. Auch dieser Zuwachs macht sich beim Platz im Innenraum deutlich bemerkbar.
Heute retten uns die Steuergeräte! Im Polo GTI, den Volkswagen mir für diese Probefahrt zu Verfügung stellt, blicke ich auf die digitalen Instrumente eines virtuellen Cockpits.
Hier wird die Digitalisierung erlebbar. Unsere heutigen Autos sind rollende Computer. Praktisch alles, was vor 30 Jahren in meinem GTI noch einer mechanischen oder elektromechanischen Regelung unterlag, steuern heute Bits und Bytes. Wo früher der Fahrer mit seinem Gespür den Grenzbereich als Erstes registrierte, sorgen heute die Steuergeräte dafür, dass der Grenzbereich nicht zur Grenzerfahrung wird.
Im aktuellen Polo GTI führt das unter anderem dazu, dass der Fronttriebler selbst bei zügiger Fahrt extrem neutral durch Kurven pfeilt.
Denn neben einer ausgesprochen guten Fahrwerksabstimmung ist dafür auch die elektronische Differenzialsperre XDS verantwortlich. Diese aktive Fahrdynamikregelung nutzt die Sensoren des elektronischen Stabilitätsprogramms (ESP)-Systems und reagiert bei dynamischer Kurvenfahrt auf die Entlastung des kurveninneren Vorderrades. Mit gezielten Bremseingriffen unterbindet XDS das Durchdrehen des Rads. Das verbessert die Traktion und verhindert Untersteuern.
Zum ersten Rendezvous treffe ich den neuen Polo GTI 2,0 l TSI auf dem Circuit Mallorca in Llucmajor. Zur 3,2 Kilometer langen Rennstrecke gehören gleich fünf enge Kehren. Dazu gibt es eine leicht hängende Rechts-Links-Kombination sowie eine schnelle Doppelrechtskurve.
In all diesen Kurven beeindruckt mich der Polo GTI mit seiner neutralen Straßenlage. Ich muss den kleinen Sportler schon bewusst provozieren, um die für einen starken Fronttriebler typische Neigung zum Untersteuern zu erzwingen. Doch selbst in dieser Ausnahmesituation bleibt der Polo gut und sicher beherrschbar.
In den Bergen bestätigt sich das Talent des VW Polo GTI. Ich verlasse die Rennstrecke mit der Gewissheit, dass es im Straßenverkehr praktisch nicht möglich ist, mit dem Polo in seinen Grenzbereich vorzudringen.
Als Ziel für die weitere Probefahrt habe ich mir eine Straße in den Norden der Insel hinab zum Küstenort Sa Calobra herausgesucht. Hier gibt es steil ins Meer abfallende, schroffe weiße Klippen. Das alles direkt vor der Kulisse des blau glitzenden Mittelmeers. Dazwischen schlängelt sich die Straße.
Sie ist ein aufregendes Asphaltband, das auf in die Berge gemauerten Stelzen und Brücken ruht. Aufregender und spektakulärer Höhepunkt der Tour ist die berühmte 270-Grad-Kurve vom Fuß des Coll dels Reis.
Nach dem Abzweiger in den bewaldeten Hügeln der Serra de Tramuntana geht es zunächst gut zwei Kilometer leicht bergauf. Hier warten zahlreiche Serpentinen auf den Polo. Die kurzen Strecken dazwischen nutze ich, um mich am Klang des Motors zu erfreuen.
Kurz nach dem ich am 728 Meter hohen Coll dels Reis den Bergkamm überquere, macht die Straßen einen Bogen nach rechts. Wie bei einem Krawattenknoten, unterquert die Straße sich nach kurzer Zeit selbst. Jetzt im Winter und am frühen Sonntagmorgen ist hier nicht viel los. Ich stoppe für ein Foto. Prompt fährt ein Volkswagen Beetle durchs Bild.
Kurze Zeit später stoppen zwei Hobby-Radfahrer neben dem Polo. Sie sind offensichtlich Autokenner. Denn GTI und 200 PS sind Fakten, die ich auch auf Spanisch verstehe. Nach einem kurzen Benzingespräch setze ich die Reise fort. Vor mir liegt der Weg hinab nach Sa Calobra. Die Kulisse der rund zehn Kilometer langen Strecke ist atemberaubend. Zwischen den unzähligen Serpentinen liegen immer wieder kurze Geraden. Besonders im oberen Teil der Strecke reihen sich die Kurven dicht an dicht. Hier ist kaum eine Verbindungsstrecke länger als 200 Meter. Ich verfalle dieser Straße und dem Polo GTI!
Zumal das serienmäßige 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe des Polo in den Kurven immer die passende Fahrstufe wählt. Am Kurvenausgang passt der Kraftschluss, ich nutze das Drehmoment, um aus den Kurven herauszubeschleunigen. Das macht jede Menge Spaß. Für eine britische Zeitschrift gehörte diese Strecke kürzlich zu den atemberaubendsten Stücken Asphalt des Planeten. Nach meiner heutigen Tour teile ich diese Einschätzung.
Über den Autor:
Sein Großvater zog den Falt-Wohnwagen mit einem Sportwagen. Der Vater bevorzugte Doppelnockenwellenmotoren. Die Tante fuhr einen Fünfzylinder-Turbo. Alles zusammen ergibt eine gute Grundlage, um heute über Autos zu schreiben und zu sprechen. Denn wenn heute irgendwo in Deutschland Oldtimer oder Youngtimer rennen, dann ist die Chance groß, dass Tom Schwede gerade als Moderator die Fahrzeuge vorstellt.